18.4.10

Kampf für das Kind: Moderne Medizin und mehr Geld gefordert

PresseAnzeiger: Der Demografische Wandel und die Kinderarmut werden immer wieder thematisiert. Warum tut sich aber die Politik so schwer, medizinische Lösungsansätze zu fördern?

Ina Ganschow: Die Kassen sind leer; nichtsdestotrotz wurde mit dem Elterngeld, so sinnvoll es sein mag, der Geburtenrückgang nicht aufgehalten (siehe z.B. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,612414,00.html ), und so ist es kaum nachvollziehbar, warum die Kosten für vier reproduktionsmedizinische Behandlungen nicht komplett (wie vor der Gesundheitsreform) übernommen werden, da auf diesem Wege 10.000 Kinder jährlich zusätzlich zur Welt kommen könnten. Geradezu ein Schnäppchen verglichen mit den Ausgaben für das Elterngeld. Diese 10.000 Kinder würden zukünftig wiederum ihre Beiträge in die Sozialkassen leisten und die Behandlungskosten um ein Vielfaches zurückzahlen. Leider denkt unsere Politik nicht so weit.

PresseAnzeiger: Wie stehen sie zu Adoptionen? Setzen sie sich auch dafür ein?

Ina Ganschow: Wir stehen Adoptionen offen gegenüber und sehen im geltenden Adoptionsrecht keinen Veränderungsbedarf. Oft hören ungewollt kinderlose Paaren jedoch den Satz "Dann adoptiert doch einfach!" So einfach ist es eben nicht; einerseits sollte das Adoptivkind nicht als "Ersatz" für das leibliche Kind gesehen werden, denn gerade der bewusste Abschied vom eigenen Kinderwunsch ist wichtig, da Schwangerschaft, Geburt, Stillen usw. eben nicht erlebt werden und auch die Zeit darstellt, die das adoptierte Kind bereits mit der Herkunftsfamilie verbracht hat, einschließlich der guten oder schlechten Erfahrungen. Zudem stehen den zur Adoption freigegebenen Kindern ein Vielfaches an Bewerbern gegenüber. Nur 10% aller Adoptionen sind Fremd-Adoptionen, alles andere sind vor allem Stiefkind-Adoptionen u.ä..

PresseAnzeiger: Ihre Organisation setzt sich für kinderlose Menschen ein. Sie übergeben in Kürze einen Forderungskatalog an das Bundesgesundheits- und an das Familienministerium - was ist ihr Hauptanliegen?

Ina Ganschow: Wir möchten in erster Linie die Rahmenbedingungen für die Betroffenen verbessern. Hierzu zählt die Verminderung der finanziellen Belastung ebenso wie die Modernisierung des veralteten Embryonenschutzgesetzes. Viele Behandlungsmöglichkeiten, die im europäischen Ausland als Standard gelten, sind in Deutschland verboten. Dies entgegen aller aktuellen medizinischen Erkenntnisse. Die betroffenen Menschen haben schwer genug mit ihrem Schicksal sowie den Reaktionen aus ihrer Umwelt zu kämpfen, man sollte ihnen wenigstens ungehinderten Zugang zu medizinischen Behandlungen gewähren. Es ist z.B. völlig unverständlich, warum in Deutschland Samenspenden erlaubt sind, Eizellspenden hingegen verboten.

PresseAnzeiger: Seit der Gesundheitsreform sinkt die Kinderanzahl, die durch Reproduktionsmedizin geboren wird. Allein aus finanziellen Gründen?

Ina Ganschow: Ja! Für viele Paare ist gerade jetzt in Zeiten der Wirtschaftskrise - der Eigenanteil von 2.000-3.000 Euro pro Behandlung nicht tragbar. Auch muss man rechnen, dass bis zum Eintreten einer Schwangerschaft vier Behandlungszyklen als realistisch anzusehen sind. Der Vierte muss seit der Gesundheitsreform komplett selbst gezahlt werden. Die Kosten belaufen sich dann bereits auf 4.000 - 6.000 Euro. Ist das Paar nicht verheiratet, zahlt es die Kosten ab der ersten Behandlung komplett aus der eigenen Tasche.

PresseAnzeiger: Warum ist Unfruchtbarkeit keine anerkannte Krankheit, wenn so viele Menschen davon betroffen sind?

Ina Ganschow: Stellen Sie diese Frage doch bitte Herrn Dr. Rösler. Als Ursachen für das Ausbleiben einer Schwangerschaft werden in der überwiegenden Zahl der Fälle medizinisch nachweisbare gesundheitliche Probleme diagnostiziert, z.B. hormonelle Störungen bei Mann und/oder Frau, Verklebung der Eileiter, eingeschränkte Spermienqualität. Die derzeitige Rechtsprechung ist daher aus unserer Sicht inkonsequent: Im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 27.02.2009 heißt es: "Die künstliche Befruchtung beseitigt keinen regelwidrigen körperlichen Zustand, sondern umgeht ihn mit Hilfe medizinischer Technik, ohne auf dessen Heilung zu zielen." Doch gilt diese Auslegung nicht auch für Knieprothesen, Bypassoperationen oder Hörgeräte?

Via: Presseanzeiger