19.3.10

Wer soll für künstliche Befruchtung zahlen?

Seit 2004 sind die Leistungen der Krankenkassen für künstliche Befruchtungen (in-vitro-Fertilisation, IVF) auf die Hälfte der Kosten von höchstens drei Behandlungsversuchen begrenzt. Die Paare müssen seitdem einen Eigenanteil von ca. 1.500 bis 1.800 Euro pro Versuch zahlen. Um die reduzierten Leistungen zu erhalten, müssen sie verheiratet und zwischen 25 und 40 (Frauen) bzw. 50 Jahre (Männer) alt sein. Durch die neue Regelung ist die Zahl der künstlichen Befruchtungen deutlich zurückgegangen, ebenso die Zahl der mit ihrer Hilfe geborenen Kinder. Der Bundesrat hat im Sommer 2008 die Bundesregierung aufgefordert, wieder zur vollen Kostenübernahme zurückzukehren. Die Bundesregierung hingegen argumentierte, künstliche Befruchtungen seien versicherungsfremde Leistungen. Sachsen zahlt seit 2009 Zuschüsse zu den Behandlungen.

Umfrage unter der Bevölkerung, Experten und Paaren

Die Bochumer Nachwuchsgruppe "Gerechtigkeit in der modernen Medizin" befragte die Bevölkerung, Expertengruppen (Reproduktionsmediziner, psychosoziale Berater, Medizinethiker, Sozialrechtler, Gesundheitspolitiker) und betroffene Paare zu diesem Thema. Zwar finden die Mehrheit der Bevölkerung und der Experten und immerhin ein Drittel aller Paare eine Eigenbeteiligung grundsätzlich angemessen, aber statt 50% sollte sie nach Ansicht der Befragten bei 15 bis 25% der Kosten liegen. Zur Finanzierung von Kinderwunschbehandlungen wurde teilweise einer Erhöhung der Versicherungsbeiträge und teilweise einer Verwendung von Steuergeldern zugestimmt. "Im Ergebnis stimmt das Meinungsbild recht gut mit der Regelung in Österreich überein, wo die Behandlungskosten zwischen den Paaren, der Krankenversicherung und einen IVF-Fonds aufgeteilt werden", berichtet Dr. Oliver Rauprich, Leiter der Nachwuchsgruppe.

Moralische Überzeugungen

Ein Einsparpotenzial bei Kinderwunschbehandlungen wurde von den Experten nicht gesehen. Auch wurde es abgelehnt, Frauen die Finanzierung ihrer Behandlung durch eine Eizellenspende zu ermöglichen. Jedoch würden es die Befragten mehrheitlich begrüßen, wenn die Erfolgsraten der einzelnen IVF-Zentren offen gelegt würden, um deren Behandlungsqualität vergleichen zu können. In der Studie wurde zudem untersucht, auf welchen normativen Überzeugungen die Befürwortung einer Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen beruht: Sie war stark korreliert mit den Überzeugungen, Unfruchtbarkeit sei eine Krankheit, unfruchtbare Paare mit unerfülltem Kinderwunsch seien behandlungsbedürftig und Kinder bekommen zu können gehöre zu den grundlegenden Möglichkeiten, die jeder Mensch in seinem Leben haben sollte.

 

Publikation: Who should pay for assisted reproductive techniques? Answers from patients, professionals and the general public in Germany Rauprich, O. et al.; Human Reproduction doi:10.1093/humrep/deq056 (2010)

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